6.4.6 Internationale Jugendarbeit

Die internationale Jugendarbeit ist im SGB VIII in § 11 als einer von sechs Schwerpunkten der Jugendarbeit gesetzlich verankert. Hinsichtlich der vorgesehenen Mitbestimmung und Mitgestaltung junger Menschen wird hier nicht nach nationalen und internationalen Angeboten unterschieden. Angebote nach § 11 sollen zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen. Diese Grundsätze gelten selbstverständlich auch für die internationale Jugendarbeit.

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit einer ganzen Reihe von Staaten Vereinbarungen und Abkommen zur Förderung des Jugendaustauschs abgeschlossen.30 Über die EU-Jugendprogramme Erasmus+ Jugend und Europäisches Solidaritätskorps werden darüber hinaus verschiedene Austauschformate und Beteiligungsprojekte für junge Menschen ermöglicht. Angebote der internationalen Jugendarbeit werden vorwiegend von Trägern der freien Jugendhilfe, wie z. B. den Kinder- und Jugendverbänden, den Jugendgemeinschaftsdiensten, der Jugendsozialarbeit und der außerschulischen politischen Jugendbildung, Kirchen und Vereinen, aber auch von Kommunen umgesetzt.31 Angeboten wird eine breite Palette an Formaten, wie z. B. internationale Jugendbegegnungen, unterschiedliche Freiwilligendienste, Workcamps, transnationale Jugendinitiativen, Seminare, Trainings und Konferenzen bis hin zu Auslandspraktika und Fachkräfteaustausch. Die meisten durch die Jugendwerke oder den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) geförderten Maßnahmen finden in Form von Gruppenangeboten für bereits bestehende Gruppen (z. B. der Jugendfreizeit oder Jugendbegegnung einer Jugendgruppe eines Jugendverbandes oder in Form der Auslandsfahrt einer Schulklasse), aber auch in maßnahmebezogenen Gruppenformaten statt; es gibt aber auch individuelle Formen des Austausches und des Auslandsaufenthaltes.32

In der konkreten Durchführung von Angeboten der internationalen Jugendarbeit werden Interessen und Ziele von Kindern und Jugendlichen aus unterschiedlichen Herkunftsländern zusammengeführt. Für alle Beteiligten bedeutet dies, sich im Vorfeld auf kulturelle und sprachliche Unterschiede einzustellen. Die Betreuenden stehen vor der Herausforderung, Beteiligung aller Teilnehmenden auch jenseits von Sprachbarrieren zu ermöglichen. Erschwert wird die Vorbereitung von qualifizierten Beteiligungskonzepten in den Angeboten durch oftmals sehr knapp bemessene Zeitläufe.

In allen Formaten der internationalen Jugendarbeit stellt Beteiligung ein leitendes Prinzip dar.33 Die Vielfalt der Angebotsformate bringt es dabei mit sich, dass sich in Bezug auf das Verständnis von Beteiligung und die Art und Weise, wie Beteiligung umgesetzt werden kann, deutliche Unterschiede zeigen. So eröffnen beispielsweise im Bereich der Kinder- und Jugendverbände die gemeinsame Vorbereitung, Umsetzung und Nachbereitung zusammen mit den Partner- und Schwesterorganisationen von Projekten andere Beteiligungsoptionen als z. B. die Teilnahme an einem weitgehend durchorganisierten mehrmonatigen Freiwilligendienst im Ausland. Zugleich steht internationale Jugendarbeit vor der Herausforderung, dass je nach Kooperationspartner im Ausland durchaus vom hiesigen Selbstverständnis disparate Vorstellungen über den Stellenwert und die Umsetzung von Beteiligung junger Menschen anzutreffen sind. Ggf. bedarf es in diesen Fällen einer zusätzlichen Verständigung innerhalb der Rahmenbedingungen des Austausches über Beteiligung als zentrales Moment internationaler Angebote der Jugendarbeit.

Qualitätsstandards

  • Bei bestehenden Jugendwerken sowie im Fall von Neugründungen werden Jugendliche und ihre Interessenvertretungen immer bei der Besetzung der dortigen Gremien einbezogen.
  • In bilateralen Gremien der internationalen Zusammenarbeit werden Interessenvertretungen junger Menschen einbezogen.
  • Beteiligung ist in allen Feldern und Angeboten der internationalen Jugendarbeit Standard und Thema des Austausches.
  • Im Vorfeld der Begegnung oder des Austausches sollten sich alle Beteiligten gemeinsam über die Programmgestaltung verständigen. Das Programm sollte Freiräume für selbstorganisierte Gestaltungsmöglichkeiten beinhalten.
  • Kinder und Jugendliche sind an allen Phasen (Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung) beteiligt. Sie planen die Begegnung von vorneherein mit und haben während der Durchführung Raum für Gestaltung. In der Nachbereitung fließen ihre Änderungsvorschläge, Ideen und ihre Kritik in die Planung weiterer Aktivitäten ein. Zur Ermöglichung von Beteiligung steht in der Planungsphase ausreichend Zeit zur Verfügung.
  • Begleitpersonen und Betreuende verfügen über die in diesem Kontext notwendigen interkulturellen Kompetenzen und bekommen die Möglichkeit, sich dahingehend zu qualifizieren.
  • Um allen jungen Menschen die Möglichkeit zur Teilnahme und Teilhabe an Angeboten der Internationalen Jugendarbeit zu ermöglichen, werden vorhandene Schwellen (z. B. Teilnahmebeiträge, Informationshürden etc.) abgebaut. Mit Blick auf junge Menschen mit Behinderungen gilt es, vorhandene Hürden jeder Art abzubauen und ggf. die Angebote im Hinblick auf Barrierefreiheit weiterzuentwickeln.

30 Für einige Länder sind Fachausschüsse und gemischte Jugendräte eingerichtet worden, die den Regierungen Projekte zur Förderung empfehlen. Sie waren lange Jahre als Instrumente gedacht, um auf Regierungsebene getroffene zwischenstaatliche Abkommen mit Beteiligung von Jugendstrukturen mit Leben zu füllen und ihre Umsetzung in der Zivilgesellschaft auch im Partnerland zu verankern. Sie sind angesichts ihrer Vielzahl von deutscher Seite Ende der neunziger Jahre einseitig mit zahlreichen Ländern z. B. in Nordafrika, Südeuropa und Westeuropa aufgelöst worden. Der DBJR koordiniert die Vertretung seiner Mitgliedsorganisationen in diesen Gremien.

31 Vgl. hierzu auch Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e. V. (IJAB)/Jugend für Europa 2014 – allerdings ohne systematischen Bezug auf Beteiligung. 

32 Vgl. https://www.rausvonzuhaus.de/

33 Vgl. https://ijab.de/themen/jugendbeteiligung; siehe auch die Qualitätskriterien für die internationale Jugendarbeit https://ijab.de/bestellservice/qualitaetskriterien-und-indikatoren-fuer-die-internationale-jugendarbeit; ebenso TBMJS 2016, S. 16ff..