6.4.3 Kinder- und Jugendarbeit im Sport

Der Sportverein bzw. der organisierte Kinder- und Jugendsport bietet zahlreiche Möglichkeiten für Bildung, Entwicklung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Der Sport gehört zu der beliebtesten Freizeitaktivität von Kindern und Jugendlichen (vgl. Schmidt/Neuber u. a. 2015) und erreicht Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Lebenslagen und -welten.

Mit Blick auf Qualitätsstandards von Beteiligung im Bereich Kinder- und Jugendsport ist zunächst eine Unterscheidung von Bedeutung, die in einer Expertise für die Deutsche Sportjugend eingeführt worden ist (Derecik/Menze 2018a). Dort wird Partizipation als ein allgemeiner Dachbegriff verstanden, der zwei Formen umfasst: „Teilnahme“ und „politische Partizipation“. Teilnahme bedeutet dabei, „bei der einen oder anderen Gelegenheit dabei zu sein oder mitzumachen. Damit ist also nicht mehr und nicht weniger als die körperliche und geistige Teilnahme an einem bestimmten Angebot gemeint“ (Derecik/Menze 2018a, S. 6). Der Begriff der politischen Partizipation verweist hingegen auf „Mitbestimmung und Entscheidung“, „Mitsprache und Aushandlung“ sowie „Mitgestaltung und Engagement“ (Derecik/Menze 2018a, S. 7).

Teilnahme an Bewegung, Spiel und Sport in diesem Sinne ermöglicht, wenn sie entsprechend gestaltet wird, viele wichtige Voraussetzungen von Beteiligung, wie z. B. das Einüben und Erfahren von Rücksicht, Respekt und Toleranz, Teamgeist, Verantwortungsübernahme und andere (psycho-)soziale Kompetenzen sowie in vielen Fällen auch Selbstorganisation. Und wo es gelingt, Bewegung, Spiel und Sport mit Themen wie Kinder- und Menschenrechten, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Inklusion u. ä. zu verknüpfen, werden inhaltlich wichtige Voraussetzungen für Beteiligung geschaffen.

Beteiligung bzw. „politische Beteiligung“ im Sinne der Expertise der Deutschen Sportjugend (dsj) geht einen entscheidenden Schritt weiter, indem Kinder und Jugendliche nicht nur als Sporttreibende begriffen werden, sondern als Akteure, die in die Entscheidungen sowohl über die Sportaktivitäten selbst als auch auf verbandlicher Ebene eingebunden sind und beteiligt werden. „Eine demokratische Partizipation findet u. a. durch Mitbestimmungen und Entscheidungen bei Mitgliederversammlungen, durch Mitsprache und Aushandlungen bei Entscheidungsfindungen im Trainingsbetrieb und beim (ehrenamtlichen) Mitgestalten und Engagement im Bereich der Jugendarbeit oder Übungsleiter/innen-Ausbildung statt“ (Derecik/Menze 2018a, S. 7). In einer zweiten Expertise für die Deutsche Sportjugend haben Ahmet Derecik und Lorena Menze an einer Reihe praktischer Beispiele deutlich gemacht, was dies im Detail bedeuten kann (vgl. Derecik/Menze 2018b).

Um Beteiligung in diesem Sinne erfolgreich umsetzen zu können, braucht es pädagogische Fachkräfte, Übungsleiter*innen und Trainer*innen und institutionelle Strukturen, die eine beteiligungsfreundliche Haltung einnehmen und Beteiligung ermöglichen. Das heißt, sie selbst sollten die Beteiligung junger Menschen wollen und ihnen eine anerkennende und wertschätzende Haltung entgegenbringen. Dies erfordert nicht nur an vielen Stellen ein Umdenken der Fachkräfte hin zu demokratischem Handeln – wobei dieses ggf. durchaus in ein Spannungsverhältnis zu einer weitgehenden Leistungs- und Konkurrenzorientierung in Bezug auf sportliche Erfolge geraten kann. Notwendig ist darüber hinaus, wie auch in anderen Handlungsfeldern, die Bereitschaft zur Abgabe von Macht. „Machtabgabe und ein verändertes Rollenbild haben immer auch mit Vertrauen zu tun.“ (Derecik/Menze 2018b, S. 7) Daher gilt es, ein positives Gruppenklima aufzubauen und zu pflegen, Vereine und verbandliche Strukturen entsprechend weiterzuentwickeln, die Freiwilligkeit hinsichtlich der Teilnahme an den Angeboten zu beachten und junge Menschen ihre Lernprozesse selbst gestalten zulassen. Die Bereitschaft zu Geduld und Ergebnisoffenheit sollte daher auch die Haltung der pädagogischen Fachkräfte und Ehrenamtlichen prägen.

Qualitätsstandards

  • Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Bewegung, Spiel und Sport im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit im Sport ist so organisiert, dass beteiligungsförderliche Erfahrungen gemacht und Kompetenzen erworben werden.
  • Dazu gehört auch die Überprüfung der Rolle der haupt-, neben- und ehrenamtlichen Fachkräfte und dabei vor allem der Trainer*innen und Übungsleiter*innen sowie die immer wieder neu vorzunehmende Nachjustierung des Spannungsverhältnisses von Leistungsprinzip und der Orientierung an sportlichem Erfolg einerseits und von Teilnahme und Beteiligung andererseits im Sinne eines auf Beteiligung orientierten Angebotes.
  • Qualifikationsangebote für Multiplikator*innen von Landessportjugenden und sonstigen Jugend- und Sportverbänden werden dafür genutzt, eine beteiligungsfördernde Haltung sowie Methodenkompetenz sicherzustellen und Prozesse der Organisationsentwicklung voranzutreiben. Kinder und Jugendliche sollten ebenfalls die Möglichkeit haben, sich zu qualifizieren.
  • Kindern und Jugendlichen werden im Rahmen der Vereine und Verbände und ihrer Gremien alters- und lebenslagengerecht Möglichkeiten der Beteiligung im Sinne von Mitbestimmung und Entscheidung, Mitsprache und Aushandlung sowie Mitgestaltung und Engagement auf allen Ebenen und in jeder Hinsicht ermöglicht.
  • Ein breites Spektrum an beteiligungsfördernden pädagogischen Konzepten, Methoden und Prinzipien unterstützt Kinder und Jugendliche, ihre Interessen zu erkennen und wirksam zu vertreten. Diese werden regelmäßig hinsichtlich ihrer Zugänge und ihrer Wirksamkeit überprüft.
  • Voraussetzung dafür sind Raum, Zeit, finanzielle Ausstattung sowie eine Kultur, die jungen Menschen Selbstgestaltungsmöglichkeiten in eigener Verantwortung bietet.